2016 scheint das Jahr der berühmten toten Musiker zu werden. Anfang März hat sich Keith Emerson im Alter von 71 Jahren in seinem Haus in Santa Monica, CA erschossen. Auch wenn ich lange Jahre der Ansicht war, das hätte er schon viel früher machen sollen – Emerson, Lake & Palmer gehören bis heute zu den Bands, die mir klassischen Progressive Rock für alle Zeiten verleidet haben – möchte ich hier ausdrücklich betonen, dass niemand so ein Ende verdient hat.
Denn ob ich seine Musik nun mochte oder nicht, hat der Mann trotzdem seine unzweifelhaften Verdienste gerade bei der Entwicklung des Progressive Rock. Nach seinen Anfängen bei den V.I.P.s und Gary Farr And The T-Bones gründete er 1967 die Klassik-Rock-Band Nice zusammen mit dem Gitarristen David O’List, dem Bassisten Lee Jackson und dem Schlagzeuger Brian Davison. Ihre Konglomerate aus Rock, Jazz, Sibelius, Bernstein und Johann Sebastian Bach klangen in meinen Ohren immer nur völlig schwülstig. Das wurde noch unterstützt durch Emersons exaltierte Bühnenshow, bei der er seine Orgel oft kräftig durchschüttelte oder mit einem Messer traktierte. Keith Emerson wurde der Jimi Hendrix des Keyboards, doch irgendwie schien der Mann aus der Zeit gefallen zu sein. Er gerierte sich wie ein ausgeflippter Klassik-Star im Rock-Gewand, schien aber klassische Rockmusik eher zu verachten. Der daraus resultierende Bombast wurde für meine Ohren immer völlig überschätzt, war aber nichts desto trotz sehr einflussreich – nicht zuletzt weil die Band auch enorm erfolgreich war.
1970 fand man sich dann nicht mehr so nett und aus The Nice wurde mit Greg Lake von King Crimson, Carl Palmer von Atomic Rooster und Emerson jetzt am Synthesizer (igitt!!) die noch erfolgreicheren (und für mich noch grauenvolleren) Emerson, Lake & Palmer (ELP). Schon der Name klang für mich eher wie eine Anwaltskanzlei als eine Rock’n’Roll-Band. Jetzt kannten Schwulst und Bombast keine Grenzen mehr. Aus Rockmusik wurde jetzt Kunst, eine Überhöhung, die mir schon immer suspekt war – Roll Over Beethoven! Für die nächsten Jahre wurde ELP zu einer der erfolgreichsten und bestbezahlten Bands der Welt. Ihre Tourneen, für deren Equipment man trotz nur drei Musikern mehrere Sattelschlepper benötigte, wurden Legende und später zum Hassbild der Punk-Generation. Mit den Hippies, die Punks am liebsten umbringen wollten, waren vor allem Bands wie ELP, Genesis, Yes, Jethro Tull oder Pink Floyd gemeint. Oder wie Radio-DJ John Peel formulierte: „ELP sind eine Verschwendung von Zeit, Talent und Strom!“ Dabei hatten sich zumindest die Dinosaurier von ELP zu der Zeit bereits selbst überlebt. 1979 ging man auseinander und spätere Reunion-Versuche scheiterten meist an dem zerrütteten Verhältnis zwischen Keith Emerson und Greg Lake. Emerson startete seit den 80ern zwar noch ein paar andere Projekte, aber nichts davon fand noch einmal die frühere Aufmerksamkeit. Die Zeit des Bombast-Rock war einfach vorbei bzw. wurde inzwischen viel erfolgreicher von Queen oder Kansas bedient.
Schon seit 1977 litt Emerson laut seinem Bandkollegen Greg Lake an Depressionen. Ab Mitte der 2000er Jahre kam noch die Nervenkrankheit fokale Dystonie dazu, eine Art Muskelverkrampfung, unter der vor allem die Beweglichkeit seiner rechten Hand litt. Bereits 2009 und 2010 mußte er deshalb Konzert-Tourneen absagen. Möglicherweise hatte sich die Krankheit so sehr verschlimmert, dass er jetzt keinen anderen Ausweg mehr sah. Er wird vielen Progressive-Fans sicher fehlen!