Ich könnte hier Dutzende Gründe anführen, warum die Pretty Things immer noch eine der besten Bands der Welt sind. Sie sind auf jeden Fall neben den Rolling Stones und den Beach Boys eine der ältesten noch aktiven Bands der Rockgeschichte. Und gleichzeitig die Band, die vielleicht mit der größten Würde gealtert ist. War schon das 1998er Album „Rage Before Beauty“ ein Alterswerk, das nahtlos an die Qualität früherer Pretty Things-Alben anknüpfen konnte, so ist ihre jüngste LP „The Sweet Pretty Things (Are In Bed Now, Of Course…)“ ein absolutes Meisterwerk, mit dem sie sich noch einmal selbst übertroffen haben und das in weiten Passagen an ihr bestes Album „S.F.Sorrow“ erinnert. Und so einen Vergleich wähle ich nicht leichtfertig, denn „S.F.Sorrow“ ist immerhin eines der drei besten britischen Psychedelic-Alben aller Zeiten (neben „Piper At The Gates Of Dawn“ von Pink Floyd und Misunderstoods „Before The Dream Faded“)!
Schon der Opener „The Same Sun“ schafft die gleiche Atmosphäre wie das ’68er-Album. Für eine Live-Version vom Burg Herzberg-Festival 2015 bitte den link klicken: Burg Herzberg . Mit „Renaissance Fair“ covern die Pretties einen der besten Byrds-Songs (von „Younger Than Yesterday“) und „You Took Me By Surprise“, eine späte Heavy-Nummer der Seeds, kommt wie aus besten „Parachute“-Tagen daher. Spätestens mit „Dark Days“ am Ende der A-Seite sind Phil May & Co. dann endgültig in die Hookah gefallen, denn was jetzt folgt sind die psychedelischsten Exkursionen, die seit „S.F.Sorrow“, „Philippe DeBarge“ und einigen Electric Banana-Tracks von den Pretty Things zu hören waren.
„Turn My Head“ ist die Neueinspielung einer alten Aufnahme von 1967 (zu hören auf der CD „BBC-Sessions“, demnächst auch als Vinyl!), braucht sich aber in keiner Weise hinter dem Original zu verstecken. „Greenwood Tree“ ist Psychedelia vom feinsten! „Hell, Here And Nowhere“ schließt nicht nur thematisch an „Loneliest People“ an. Die alten Herren verbreiten allerdings heute mehr Optimismus als damals! „In The Sower“ ist ein schönes Instrumental von Gitarrist Dick Taylor und mit „Dirty Song“ endet die Platte stilecht wie seinerzeit „Old Man Going“.
Wären die Hauptprotagonisten Phil May und Dick Taylor nicht schon deutlich in ihren 70ern, hätten nahezu alle Stücke dieser Platte das Zeug zu Klassikern, ein Phänomen, das auch schon auf das letzte Rolling Stones Studio-Album „A Bigger Bang“ zutraf! Doch „The Sweet Pretty Things“ ist keine Altherren-Platte, sondern das selbstbewusste Statement einer funktionierenden Band. Denn die anderen Mitglieder vom langjährigen Lead-Gitarristen Frank Holland bis zu George Woosey am Bass und Jack Greenwood am Schlagzeug – die beiden letzteren könnten locker die Enkel von Taylor & May sein – haben gleichermaßen ihren Anteil an dieser Super-Scheibe. Oder wie Manager Mark St.John in den Liner-Notes schreibt: „Dieses Album klingt nach den Pretty Things – anno 2015 – und in Kampfeslaune.“ Wohl wahr, und das Ganze wird noch beeindruckender vor dem Hintergrund, dass Phil May kein halbes Jahr vor den Aufnahmen noch mit einem lebensbedrohlichen Lungenemphysem im Krankenhaus lag. Hier ruft jemand Gevatter Tod ein kräftiges „Fuck You!“ entgegen! Chappeau!!
„The Sweet Pretty Things (Are In Bed Now, Of Course…) und weitere Musik von den PRETTY THINGS gibt’s hier: Pretty Things