Irish Coffee, eine der besten Heavy-Progressive/Hardrock LPs ist wieder lieferbar. Für die, die’s noch nicht wissen: Irish Coffee ist eine belgische Band aus Aalst in der Nähe von Brüssel. Zwischen 1970 und 1974 nahm die Band eine legendäre LP und vier Singles in gleicher Qualität auf. Da sie aus Belgien waren, hat das außerhalb des kleinen Landes leider kein Schwein gehört und erst gegen Ende der 80er Jahre machte es dann langsam die Runde, was für eine Hammerplatte die Jungs damals produziert haben.
Viele LPs enthalten zwei bis drei gute Titel und der Rest ist so lala. Bei Irish Coffee stimmt einfach jeder Titel: I Can’t Take It ist ein perfekter Einstieg (den unfassbar albernen Videoclip zu diesem Titel findet Ihr hier: Irish Coffee – I Can’t Take It ) und ein erster Vorgeschmack auf die gesanglichen Qualitäten von William Souffreau. Der klingt wie eine perfekte Mischung aus Bernd Noske (Birth Control) und Klaus Meine von den Scorpions in seinen besten Zeiten. Überhaupt hören sich Irish Coffee eher an wie eine dieser klassischen deutschen Hardrock-Bands als nach typischem Hardrock britischer Prägung. Noch besser wird das auf The Beginning Or The End, dessen Schlussrefrain mir auch nach 25 Jahren immer noch die Nackenhaare hochstellt! When Winter Comes beginnt zunächst viel ruhiger, aber gegen Ende wird daraus eine Tour de Force des Gitarristen Jean van der Schueren, der neben Miguel Sergides (Arcadium), John Cipollina (Quicksilver Messenger Service) oder Mark Knopfler (ja, der Tünnes von Dire Straits) zu den wenigen gehört, die ein Plektrum so schnell bedienen können, dass man glaubt, da spiele einer Fingerpicking. Das Resultat sind wunderbar perlige Läufe, die sich eher an der Melodie als an gängigen Improvisationsmustern orientieren. Im Überstück der ganzen LP A Day Like Today über die Schrecken des Atomkriegs laufen beide dann zu Höchstform auf, wobei auch der Rest der Band vom Feinsten ist, denn ohne solide Rhythmus-Basis könnten Sänger und Gitarrist nicht dermaßen abheben. Für mich bis heute eine der besten Hardrock-LPs aller Zeiten!
Da die Platte zunächst nirgends zu finden war, habe ich Irish Coffee seinerzeit zunächst über ihre Singles kennengelernt, die mir damals jemand mit der Anmerkung: „Klingt wie Writing On The Wall“ empfohlen hat. Ist auch nicht verkehrt, außer dass Sänger und Gitarrist von Irish Coffee noch besser sind. Die Singles sind eine perfekte Ergänzung, denn sie enthalten aussschließlich non-LP-tracks bis auf die Rückseite von Masterpiece, das noch vor der LP in zig Ländern veröffentlicht wurde, darunter sogar Mexiko und Brasilien!! Auf der letzten Single Witchy Lady spielt statt van der Schueren der Gitarrist Luc de Clus, der zwar nicht ganz so gut wie sein Vorgänger ist, aber vor allem auf der Rückseite I’m Hers ziemlich nahe rankommt. 1974 war dann erst Mal Schluß, nachdem Organist Paul Lambert bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.
William Souffreau machte alleine weiter, Jean van der Schueren wurde Musikpädagoge und die anderen verschwanden von der Bildfläche, bis Souffreau Ende 2004 Irish Coffee mit de Clus und Original-Schlagzeuger Hugo Verhoye reformierte. Die gleichnamige CD aus demselben Jahr enthielt neun neue Stücke, die zum Teil allerdings aus Fragmenten aus der Zeit der originalen Band bestanden. Insofern können Titel wie Brand New Day, Coloured Land, Your Love, Apocalypse oder Dark Clouds problemlos an die Stimmung des ’71er Albums anschließen. I’m Lost, das beide Platten beschließt, bietet interessante Vergleichsmöglichkeiten.
Leider erschien das Album nie auf Vinyl. Denn trotz eines Rockpalast-Auftritts, der anschließend als DVD und Doppel-Vinyl erschien, konnte Irish Coffee MkII nie so viele Auftritte ergattern, dass die Band davon hätte leben können.
Seitdem spielen sie sporadisch rund um ihre Heimatstadt Aalst und bei einem dieser Auftritte war sogar Jean van der Schueren wieder mit dabei!! Einen Video-Ausschnitt davon gibt’s hier: Irish Coffee live in Aalst 2013
Ab und zu gibt’s auch mal ein paar neue Aufnahmen von der inzwischen dritten Ausgabe der Band: die 10“ Revisited klingt straighter als frühere Aufnahmen, was vor allem daran liegt, dass die Band inzwischen auf ein Trio geschrumpft ist und William Souffreau hier die Gitarrenarbeit selbst übernahm und sie nicht einem Filigran-Techniker wie van der Schueren oder de Clus überließ. Das ist immer noch sehr gut, aber halt nicht mehr sooo gut wie die älteren Sachen. Auch das jüngste Opus, die LP When The Owl Cries (ist geordert, aber noch nicht hier!) geht in diese Richtung. Sie enthält auch eine Neueinspielung von I’m Alive, einer alten Single-B-Seite.
Originale des ’71er-Albums habe ich schon lange nicht mehr zu erschwinglichen Kursen angeboten bekommen und noch seltener in gutem Zustand, aber dankenswerterweise hat das spanische Label Guerssen ein offizielles Reissue der LP herausgebracht, das ich nur allen wärmstens ans Herz legen kann, die das Album bislang noch nicht kennen oder bereits besitzen. Ein echtes Meisterwerk!!!
zur Musik von IRISH COFFEE geht’s hier: Irish Coffee