Totgesagte leben länger: Ich muß dieser Kritik vorwegschicken, dass für mich „Santana III“ bis heute eines der 10 besten Alben aller Zeiten ist! Auch nach 45 Jahren klingt die Platte in meinen Ohren immer noch so frisch wie 1971 und „Toussaint L’Overture“ ist nach wie vor eine DER Gitarrenhymnen schlechthin! Wenn der Altmeister jetzt seine neue Platte einfach nur „IV“ betitelt, dann ist das Versprechen und Hypothek zugleich. Und obwohl ich nach gefühlt 50 Alben lauwarmer Salsa-Soße, die Carlos Santana seit „Caravanserai“ aufgetischt hat, höchst misstrauisch war, darf ich hier verkünden, dass dem alten Devadip noch einmal ein echter Geniestreich geglückt ist, ohne dass er in die Niederungen von Latin-Pop abgetaucht wäre wie bei seinem „Supernatural“-Comeback vor 17 Jahren.
Das liegt aber gar nicht so sehr am Namensgeber der Band als an seinen Mitstreitern. Denn auf „IV“ ist erstmals seit 1973 wieder der Kern der Besetzung zu hören, die damals die ersten vier Santana-Alben eingespielt hat. Die Idee kam vom einstigen Wunderkind Neal Schon, der schon auf „III“ und „Caravanserai“ für den metallischen Gegenpart zu Carlos’ perligen Läufen sorgte. Als Santana mit „Welcome“ auf den Guru-Trip kam, wanderte seine damalige Band fast geschlossen zu Journey ab und deren erste beiden Alben klingen deshalb weit mehr nach Santana als der Meister damals selbst.
Jetzt sind Keyboarder Greg Rolie, Gitarrist Neal Schon, Drummer Michael Shrieve und Conga-Spieler Mike Carabello wieder zurück und unterstützt von den aktuellen Santana-Leuten Karl Perazzo (percussion) und Benny Rietveld (ex-Miles Davis) am Bass machen sie dem alten Mann soviel Feuer unterm Hintern, dass dieser über sich selbst hinauswächst. Das ist keine kraftlose Superstar-Produktion, bei der jeder seinen Part in einem anderen Studio irgendwo auf der Welt einspielt. Stattdessen hört man, dass alle Beteiligten echten Spaß dabei hatten, nach all den Jahren wieder miteinander zu spielen.
Natürlich darf man von so gestandenen Musikern keine bahnbrechenden Neuerungen erwarten, aber sie schaffen es zum ersten Mal seit den oben erwähnten Klassikern, dass es sich lohnt, eine Santana-Platte gleich mehrfach hintereinander zu hören! Dabei hat „IV“ natürlich auch alle Zutaten, die man von einem ordentlichen Santana-Album erwartet: Gleich der erste Track „Yambu“ erinnert vom Aufbau an „Jingo“ vom 1.Album. „Shake It“ bringt ähnlich wie „Batuka“ neben den Trademark-Gitarren vor allem das perfekte Zusammenspiel von Drummer Michael Shrieve mit den Congaspielern Mike Carabello und Karl Perazzo sowie Greg Rolies Orgel zur Geltung und macht sofort deutlich, dass wir hier keines der üblichen Latino-Pop-Alben haben, wie wir sie von Santana seit Jahren gewohnt sind. Greg Rolies Stimme klingt heute bluesiger und erdiger als je zuvor. „Anywhere You Want To Go“ dürfte allen „Oye Como Va“-Fans gefallen und das lange Instrumental “Fillmore East” schließt die 1.Seite in bester “Caravanserai”-Manier ab.
Auf den ersten beiden Tracks der 2.Seite setzt Gastsänger Ronald Isley noch einen obendrauf und adelt beide Songs durch seinen souligen Gesang, die ansonsten Elemente von „Se A Cabo“, „No One To Depend On“ und noch mal „Jingo“ in sich vereinen. „Suenos“ und „You and I“ dürften die „Samba Pa Ti“- bzw. „Song For Europe“-Fraktion voll zufriedenstellen. „Caminando“ ist eine witzige Mischung aus klassischen Santana und „Roadhouse Blues“ von den Doors geworden. „Blues Magic“ geht ganz weit zurück zu den Anfängen der Santana Blues Band. „Echizo“ ist ein erneuter Versuch von „Toussaint L’Overture“ (leider nicht geglückt, weil zu sauber!) und „Forgiveness“ beschließt die Platte mit dem psychedelischsten Track des Albums. Das EPK zur Entstehung des Albums gibt’s hier: EPK Santana IV
Klar ist das alles ein einziger Nostalgietrip, aber wie lange haben wir darauf gewartet??!! Ok, zugegeben, es kocht nicht mehr ganz so wie auf „Santana III“ oder dem Debut, aber die Protagonisten sind schließlich auch 45 Jahre älter und gesetzter. Vor allem dem Meister selbst merkt man an, dass er heute nicht mehr die jaulende, kreischende Gitarre von damals spielen möchte, sondern großen Wert auf Wohlklang legt. Die Zeiten, als sich seine Soli anhörten, als schramme er mit einem Schlittschuh übers Griffbrett sind offensichtlich vorbei. Dafür hat Neal Schon nichts verlernt. Seine Gitarre singt, schreit und ätzt wie in besten Zeiten. Man hört ihm den Spaß an diesem Projekt förmlich an. Das gilt genauso für die anderen Musiker. Hoffentlich überträgt sich das auch auf die Live-Shows, die diese Besetzung im Sommer bestreiten wird:
So 3.Juli London(UK (Eventim Apollo)
Di 5.Juli Paris/F (Accor Hotels Arena)
Fr 8.Juli Slupsk/PO (Dolina Charlotty Resort)
Sa 9.Juli Potsdam/D (City Festival)
So 10.Juli Weert/NL (Bospop Festival)
Di 12.Juli Wien/A (Stadthalle)
Mi 13.Juli Udine/I (Parco Della Lesa)
Do 14.Juli Montreux/CH (Jazz Festival)
Sa 16.Juli Stuttgart/D (Stuttgart Festival – ausverkauft!!)
So 17.Juli St.Julien En Genevois/F (Guitare en Scene Festival)
Di 19.Juli Roma/I (Cavea, Auditorium Parco della Musica)
Mi 20.Juli Cattolica/I (Arena della Regina)
Do 21.Juli Milano/I (Assago Summer Arena)
Sa 23 Juli Cap Roig/E (Cap Roig Festival)
So 24.Juli Marbella/E (Starlite Marbella)
Di 26.Juli Porto/POR (Pavilhao Multiusos de Gondomar)
Mi 27.Juli Lissabon/POR (MEO Arena)
„Santana IV“ ist mehr als eine Empfehlung, trägt den Titel und das famose Cover(!) absolut zu Recht und ist auf jeden Fall das beste Santana-Album seit den alten Zeiten!! Und wer „Santana III“ (und die anderen drei Alben aus der Frühphase der Band) länger nicht gehört hat, mal wieder rausholen und neu entdecken bzw. endlich kaufen! Die Platte gehört einfach in jede ordentliche Sammlung!!!
„Santana IV“ und weitere Musik von SANTANA gibt’s hier: Santana